Silat

Silat oder Pencak Silat ist der Oberbegriff einer ganzen Familie von Kampfkünsten, die sich in Indonesien, den südlichen Philippinen, Malaysia und Brunei entwickelt haben. Sehr tiefe Stände, eine ganz intensive Bodenarbeit und vielfach auch Beinscheren und Würfe sind allen gemein. Silat ist (eigentlich) kein Sport, sondern eine effektive Art der Kampfkunst. Waffen sind die Regel, vielfach lernt der Schüler zunächst eine Waffe, der Faustkampf gilt als fortgeschrittene Disziplin.

Die für mich grundlegendste Bewegung des Silat ist das Gellek. Gemeint ist die Drehung des auf den Fußballen balancierenden Körpers. Die sollte ähnlich einem Kettenfahrzeug erfolgen. Das Gewicht auf beiden Beinen ruhend, immer im Gleichgewicht. Kombiniert man diese Drehung mit einer Ausweichbewegung, steht man sofort perfekt zum Gegner.
Dabei ist das Balancieren des Körpers der Schlüssel und die Herausforderung. Der feste und bombensichere Stand, ohne Gewackel und Gezappel. Wer den nicht auf die Reihe bekommt, der muss üben, üben, üben. So wie ich. Wer das aber einmal gespürt hat, der kann sich sehr entspannt auch in der wildesten Auseinandersetzung bewegen. Und der Winkel, in dem er zum Gegner steht, wird ihn stets in die Lage versetzen, eine Aktion auszuführen.

Hört sich banal an, ist aber auch für geübte Kampfsportler häufig eine echte Herausforderung. Vielfach wird durch übertriebene Härte oder wilden Körpereinsatz versucht, die fehlende Balance zu überspielen. Das klappt nur so lange, bis man auf jemanden trifft, der den Gellek perfektioniert hat. Spätestens in den Formen, den Sifat oder Kata, wird deutlich, ob der Kempoka sicher steht oder vor sich hin wackelt und zappelt und stets in Gefahr ist, das Gleichgewicht zu verlieren.

Der Gellek hat sein Pendant im japanischen Tai Sabaki. Wobei hier die unterschiedlichen Mentalitäten ganz unterschiedliche Folgetechniken hervorrufen. Das japanische Streben nach Geradlinigkeit, nach der ultimativen K.o.-Technik, steht dem Silat mit seinem Trommelfeuer an Techniken aus verschiedenen Drehungen entgegen. Es ist faszinierend, hier zu sehen, wie kulturelle und mentale Unterschiede sich auch in der Kampfkunst ausdrücken.

Und mindestens genauso faszinierend ist es, wie harmonisch sich die Silat-Techniken ergänzen mit den Kempo-Basics. Vor allem, wenn man ganz frühe Stile trainiert, so wie ich bei Sifu Olaf Bock.

Wo meiner Meinung nach das Silat, so wie ich es lernen darf, dem Shaolin Kempo überlegen ist, ist die Konsequenz bei den Techniken. Während bei den Kempo-Kumite nach ein oder zwei Abwehren und einem Konter oft völlig überraschend Schluss ist, arbeitet man im Silat weiter, bis der Gegner in seine Einzelteile zerlegt ist. Es geht im Silat nicht um das Auswendiglernen von 50 oder 60 Bewegungsfolgen, sondern um das Erlernen von Bewegungsmustern, die im freien Sparring dann intuitiv verknüpft werden.

Je weiter man im Silat vordringt, desto feiner werden die Techniken, desto mehr begreift man den Sinn von minimalen Standänderungen oder Handhaltungen bei Abwehr oder Angriff. Und auch diese Kenntnisse passen dann wieder überraschend harmonisch ins Shaolin Kempo.