Unglaublich, wie die Zeit vergeht. Fast vor einem Jahr genau konnte ich Sifu Olaf Bock das erste Mal ins Kalletal locken. Und jetzt ist er wieder gekommen, quasi ein leicht verspäteter Nikolaus. Naja, der Bart passt ja halbwegs! 🙂
Wieder ging es um die Fomen, die die Seele einer Kampfkunst sind, wie Olaf betont. Dieses Mal standen die Sifat auf dem Programm. Und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Vor gut anderthalb Jahren habe ich mit dem Training bei Olaf begonnen, pendele seitdem monatlich ins ferne Betzdorf zu seinen Kader-Trainings. Ich habe in der Zeit viel gelernt, viel geübt, viel geschwitzt und viel Spaß gehabt. Und mich immer mehr gefragt, wie ich mit Überzeugung unsere „alten“ Formen lehren soll, wenn ich doch immer mehr zu der Einsicht gelange, dass in den „neuen“ Formen der wahre Sinn des Shaolin Kempo verborgen ist?
Einige meiner Schwarz- und Braungurte begleiteten mich ab und an zu Olaf. Und gemeinsam reifte die Erkenntnis: Wir folgen der Lehre meines Lehrers auch in unserer Truppe. Und wir beginnen gleich mit dem dicksten Brett, nämlich den Sifat oder Schülerformen.
Was bedeutet Sifat?
Sifat ist ein indonesischer Begriff und lässt sich etwa mit „Charakteristik“, aber auch mit „Seele“ und „Wesenskern“ übersetzen. Was ja genau passend ist, denn die Sifat sind eine wesentliche Grundlage: die Essenz des Shaolin Kempo. Im Shaolin Kempo sind 6 Sifat bekannt. Die allerdings, so Olaf, eigentlich nur eine einzige Form sind. Aber um sie besser unterrichten zu können, wurden sie in 6 Teile aufgegliedert. Olaf lehrt sie seit mehr als 30 Jahren unverändert, führt ihr Entstehen zurück bis zur kurzen gemeinsamen Zeit von Gerald Meijers und Carel Faulhaber in den 1960er Jahren. Und wer mal nach Kuntao Matjan googelt, dem ursprünglichen indonesischen Familienstil von Paatje Faulhaber, der wird deutliche Ähnlichkeiten feststellen.
Das Ziel war, einmal gemeinsam auch mit meinen Schülern durch die Formen zu gehen, Details zu pauken und die Inhalte zusammen mit der Kenntnis von Olaf genau zu analysieren – also Feinarbeit. Dann sollten sie in unser Lehr- und Prüfprogramm übergehen. Also ran an die erste Sifat, auch Sifat Pertama genannt (Pertama ist das indonesische Zahlwort für Eins). Heben und Senken, Eindrehen und Auspendeln, Gewichtsverlagerung und Fußstellung – für einige meiner Schüler machte jetzt die Quälerei der letzten Monate erst richtig Sinn. Denn ich hatte natürlich vorgearbeitet und die Grundlagen der neuen Stände, der tieferen Ausweichbewegungen und veränderten Statik unterrichtet. Was nicht immer auf Gegenliebe stieß. 🙂
Aus 6 mach 1
Doch jetzt bekam die Grundlagenarbeit Sinn. Denn Olaf Bock ist ein faszinierender Lehrer, der mit seiner ruhigen und bestimmten Art keinen „von der Angel lässt“ und für jedes Detail ein Auge und vor allem für jeden Schüler auch ein hilfsbereites und freundliches Wort hat. Das hat gerade bei meinen jungen Nachwuchs-Kempoka mächtig Eindruck gemacht. Sehr zu meiner Freude. Schließlich sind Nikolaus-Geschenke umso schöner, wenn man sie teilen kann! 🙂
Fast vier Stunden und unzählige Sifat-Läufe später zitterten allen die Knie, brannten die Oberschenkel und verkrampften die Schultermuskeln. Immer wieder die Einzelformen, immer im Anschluss alle in einem durch. Alle hielten bravourös durch. Und ganz zum Schluss konnten wir stolz verkünden, dass wir ab jetzt die Sifat, wie sie über Cor Brugman und seit mehr als 30 Jahren von Olaf Bock unverändert gelehrt werden, im Kalletal unterrichten:
Sifat Pertama
Sifat Kedua
Sifat Ketiga
Sifat Keempat
Sifat Kelima
Sifat Keenam