Der Langstock oder Bo ist die ultimative Allzweckwaffe im Kobudo, aber auch im Kempo. Daher lohnt es sich, den Langstock einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ganz generell ist der Bo ein hervorragendes Übungsgerät. Und das selbst dann, wenn man gar nicht plant, ihn jemandem auf die Mütze zu klopfen.
Denn das Wirbeln und Hantieren mit dem Bo trainiert Muskeln, Gelenke und Koordination enorm. Das ist allerdings auch der Grund, weswegen der Bo im Kindertraining wenig verloren hat. Zum einen ist die Gefahr groß, dass die kecken Nachwuchskämpfer sich das Ding gegenseitig um die Ohren hauen, zum anderen belastet es gerade in jungen Jahren die Gelenke in Hand und Arm doch sehr stark. Daher bin ich der Meinung, dass ein Bo kein Anfängergerät für Kids ist, sondern erst ab cirka 10 bis 12 Jahren geübt werden sollte (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel!).
Mich hat das schlanke Ding allerdings ebenfalls reichlich Nerven gekostet. Denn obwohl ja eigentlich an dem dünnen Holzstecken nix Geheimnisvolles dran ist, ist der kunstvolle Umgang mit dem hölzernen Gerät eine Wissenschaft für sich.
Material
Das fängt schon mit Material und Längen an. Im Kempo werden meist Rattan-Bo verwendet. Die biegen sich und wippen beim Gebrauch nach. Viele Kempoka wollen das so, denn das verstärkt den Peitscheneffekt, wenn solch ein Rattanknüppel mit Schwung auf ein Hindernis trifft. Klappt aber nur, wenn man ziemlich exakt einrastet in der Endposition. Ich bin jetzt seit gut fünf Jahren mit dem Ding beschäftigt, doch so richtig lässt sich mein Bo nicht in Schwingung versetzen … Wie gesagt: Das trainiert die Exaktheit in den Bewegungen enorm!
Kann aber auch sein, dass mein Kempo-Bo wahrscheinlich eher aus Bambus ist. Diese Bo sind nämlich deutlich starrer und etwas schwerer. Federn tun sie auch, allerdings eben deutlich weniger. Nachteil des verholzten Grasstengels: Bambus splittert, wenn es kaputt geht, während Rattan nur an den Enden zerfasert. Man erkennt Bambus an den Wachstumsknoten oder -ringen, Rattan wächst mit langen Fasern.
Im klassischen Okinawa-Kobudo werden Bo aus japanischer Eiche verwendet. Die sind deutlich schwerer, noch einmal eine ganze Ecke härter und federn naturgemäß gar nicht. Dafür zersemmeln sie, richtig kontrolliert, auch alles, was ihnen in die Quere kommt. Genau das richtige für unsere Endkampf-gestählten Okinawa-Kobudoka. Die nennen ihren Langstock übrigens nicht Bo, sondern Kun. Das ist abgeleitet vom chinesischen Gun, was ebenfalls Stock oder Knüppel bedeutet.
Es gibt für alles Regeln, also auch für den Wettkampf im Kobudo. Der Langstock oder Bo soll oder muss hier aus Eiche sein und darf nicht weniger als 900 Gramm schwer sein. Damit sind die Show-Bo unserer YouTube-Experten aus dem Rennen, denn die sind viel leichter, um die ganzen Wirbel und Tricks zu ermöglichen. Dafür würden sie einen Feindkontakt auch nicht lange durchstehen. Es gibt übrigens auch Experten, die Bo aus Metall verwenden. Die üben dann allerdings eben nicht für den Sport!
Länge und Form
Auf die richtige Länge kommt es auch hier an. Faustregel: Ein „normaler“ Bo sollte zwei Faustbreiten länger sein als man selber. Traditionell ist der japanische Bo ca. 182 cm lang, was sechs Fuß entspricht. Daher stammt der Name Roku (6 Fuß lang) Shaku-Bo. Da ich ein wenig länger bin als das japanische Gardemaß, habe ich mir für das Kobudo-Training ein paar Bo aus Esche in meiner Länge machen lassen. Esche ist ebenfalls sehr hart, allerdings etwas leichter als Eiche. Wenn man stundenlang mit dem Bo hantiert, ist das aber kein unwillkommener Nebeneffekt. Doch manche Techniken, etwa Stiche, klappen nicht richtig, wenn der Bo zu kurz ist. Für Kinder wichtig: Der Bo darf auch nicht zu lang sein, sonst leidet die Technik des heranwachsenden Kampfsportlers. Und sind die Bewegungen erst einmal falsch drin, dann lassen sie sich nur sehr schwer wieder weg bekommen. Also Säge raus und ab das Ding!
Es gibt Bo in allen möglichen Längen. Die kürzesten werden Tanbo genannt, sind etwa 60 Zentimeter lang und entsprechen den philippinischen Escrima Sticks. Den 120 Zentimeter langen Yon Shaku Bo kennen unsere Kollegen aus dem Hsinshi Kempo als Jo, er ist ihre Standardwaffe. Die längsten sind etwa 274 Zentimeter lang und erfordern ganz eigene Techniken zur Beherrschung. Das Paddel oder Ruder, Eku genannt, zählt auch zu den Bo-Waffen. Und auch Bo mit aufgesetzten Metall- und Klingenwaffen, etwa Naginata, Yari oder Manji Nunti Bo, werden dem Bo zugeordnet. Kein Wunder, sind doch alle einteilige Stangenwaffen, deren Handhabung ziemlich ähnlich ist.
Es gibt komplett runde Bo und solche, die an den Ende konisch zulaufen. Die konische Form wird auch im Tesshinkan Kobudo verwandt und besitzt mehrere Vorteile:
– der Bo wirbelt schneller, da der Luftwiderstand an den Enden geringer ist
– die Enden sind die treffenden Teile. Je kleiner sie sind, desto mehr Energie wird freigesetzt.
– greift oder umschlingt der Gegner den Bo, dann lässt sich die konische Form leichter befreien
– trifft der konische Bo ein Hindernis, ist er widerstandsfähiger und geht nicht so leicht kaputt
Außerdem gibt es vier-, sechs- und achteckige Bo. Die sind zwar schwieriger zu greifen, tun aber noch mehr weh, wenn sie mit ihren Kanten treffen. Die meisten japanischen Bo sind etwa drei Zentimeter dick. Im Tesshinkan Kobudo werden konische Bo verwendet, die an den Enden nur noch rund 2,5 Zentimeter dick sind.
Die Spitzen des Bo heißen Saki (Spitze) oder Kontei (Ende). Der dickere mittlere Teil wird Moto genannt.
Hersteller und Preise
Standard-Bo aus Rattan oder Weißeiche gibt es schon für rund 20 Euro. Wird die härtere und schwerere Roteiche verwendet, muss man rund 30 bis 35 Euro rechnen. Die Edelvarianten direkt aus Okinawa Shureido BO verjüngt Ø 3 cm / 2,3 cm, Eichenholz schlagen mit rund 60 Euro zu Buche. Wer einen maßgeschneiderten Langstock oder Bo haben möchte, wird beim Tischler um die Ecke fündig. Noch besser sind Drechsler oder Treppenbauer, die können der durchgehenden Rundung auch einen konischen Pfiff geben. Da gilt es, die Preise auszuhandeln.
Gut ist es, wenn der Bo unbehandelt ist. Besser ist es, wenn er leicht eingeölt wird. Ganz schlecht ist es, wenn er lackiert ist. Das sieht zwar zunächst schicker aus, aber nach einem mehrstündigen Training mit Kontakt ist zum einen die Lackschicht ruiniert, zum zweiten auch die Handinnenflächen, denn die zieren jetzt garantiert dicke Blasen!
Der Handhabung der hölzernen Stange widme ich mich in einem folgenden Artikel …
Einige Bo-Kata des Shaolin Kempo findet Ihr hier …
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
wo bekomme ich denn bilder bildsequenzen von katas etc (nicht von kogerl)
Hallo Wolfgang, wie kann ich Dir weiterhelfen? Ich verstehe die Frage nicht so ganz … Gruß, Lutz