Der Langstock, Bo (japanisch) oder Gun (chinesisch) ist die erste und zentrale Waffe, die im Lung Chuan Fa gelehrt wird. Wahrscheinlich ist nur der Stein in der Hand älter, wenn es um den Einsatz von Hilfsmitteln im Kampf geht. Mit Steinen schmeißen oder hauen wir allerdings nicht, daher widmen wir uns also dem hölzernen Alltagsgegenstand. Die Sequenzen könnt Ihr auch auf YouTube finden, die Links stecken im Text. Bo oder Gun im Shaolin Kempo – Hauptsache Holz!
Zur Hardware hab ich mich ja hier schon geäußert, diesmal geht es um die Handhabung. Im Lung Chuan Fa üben wir (momentan) drei Formen mit dem Bo. Da ich einen intensiveren Ausflug in die Welt der japanisch/okinawanisch geprägten Welt des Bo gemacht habe, ist der Unterschied in der Handhabung der Langwaffe augenfällig. Der japanische Bo wird fast ausschließlich im Drittel-Griff gehalten, selten variiert die Griffhaltung. Im Shaolin Kempo dagegen versuchen wir, die ganze Länge des Stocks auszunutzen. Der Bo wird vielfach in Drehung gebracht. Wird das dann noch kombiniert mit unserer Schrittarbeit und der Körperhaltung, entfernen wir uns sehr weit von japanischen Stilarten.
Allerdings ist das Material unserer Bo in der Regel Rattan, Bambus oder Hartholz. Und zwar deutlich dicker und damit schwerer als in vielen chinesischen Stilrichtungen. Hier halten wir uns an japanische Dimensionen. Was dazu führt, dass wir den Bo nicht ganz so schnell drehen lassen können, wie es Wushu-Kämpfer vormachen. Oder wie es vor allem die amerikanischen „Tricking-„Experten zeigen, die Stäbe aus Carbon oder Leichtholz verwenden und damit nicht nur Pirouetten drehen, sondern ihr Sportgerät sogar in die Luft werfen.
2 + 1 Kata
Unsere 1. Bo-Kata ist eine typische Einsteiger-Kata. Nach der Begrüßung folgen vier gleiche Bewegungsfolgen, die nacheinander in die vier Himmelsrichtungen ausgeführt werden. 90- und 180-Grad-Drehungen wechseln sich ab. Am Ende folgt eine finale Abschlusstechnik, mit der der letzte der eingebildeten Gegner mit einem mächtigen Stich zu seinen Ahnen transportiert wird. Zu Anfang sind der rotierende Bo und die 180-Grad-Wendungen die Herausforderung an den Übenden. Und die Kondition, denn der Umgang mit der Langwaffe verlangt Kraft und Ausdauer. Wer den Grüngurt ablegen will, muss sich die 30 Bewegungen merken und ausführen.
Die 2. Bo-Kata ist gleichzeitig unsere längste und schwierigste. Der Anfang ist nahezu gleich zu der 1. Bo-Kata, doch danach folgen schöne und schön schwierige Bewegungsfolgen. Die Kata ist deutlich länger als die 1. Bo-Kata, beinhaltet einige wirklich herausfordernde Passagen und Elemente, die deutlich an chinesische Kuen erinnern. Wechsel hinter dem Rücken, Angriffe zu den Knöcheln, Schläge zum Kopf – wer dieses Brett beherrschen will, muss immer wieder üben und an einzelnen Elementen feilen. Kontrolle ist ganz wichtig, über den eigenen Stand genauso wie über die Waffe. Und so ganz ohne Kraft geht es hier nicht, weswegen die Kata nichts für Kinder ist. Ab dem Blaugurt gehört die 2. Bo-Kata zum Prüfungsprogramm, geübt wird sie ab dem Grüngurt.
Die 3. Bo-Kata fällt ein wenig aus dem Rahmen, denn ihre Bewegungen folgen einem anderen Muster. Kein Wunder, denn sie wurde einst von der Gruppe rund um Großmeister Cor Brugman als reine Übungskata aus der Taufe gehoben. Dazu Sifu Olaf: „Wir hatten uns damals Gedanken gemacht, wie wir den Einsteigern die ersten Bewegungen mit dem Bo leichter machen. Und haben angefangen, die 1. Sifat mit dem Bo zu laufen. Jahre später war ich total erstaunt, als ich gesehen habe, dass Kempoka diese Übung als eine echte Kata gelaufen sind.“ Die Schrittfolgen sind identisch zur Sifat Pertama, der 1. Sifat. Und auch die Stocktechniken ahmen den Einsatz der Hände nach. Ein schönes Beispiel, wie sinnvoll es sein kann, seine Kata auch mal mit Waffen zu laufen. Das klappt nämlich fast immer …
5 = 1 Kata
Stichwort Sifu Olaf Bock: Mittlerweile lernen wir fünf neue Bo-Kata, die sich nach Abschluss der Lernphase wieder zu einer langen Form vereinen lassen. In diesen Bo-Kata folgt der Langstock noch mehr den Shaolin Kempo-Bewegungen. Doch davon später mehr …
Neben den reinen Formenläufen üben wir auch eine zweiteilige Kumite, also einen abgesprochenen Übungskampf, mit dem Bo. Diese Art von Übung ist wichtig, um den Bo als Waffe noch besser zu begreifen und den Umgang sinnvoll zu gestalten. Hier gilt es, nicht nur saubere Techniken auszuführen, sondern sich auch auf den Ablauf zu konzentrieren, sonst bekommt der Partner eins auf die Pfoten. Und das tut wirklich weh, selbst ohne große Härte in den Schlägen …