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Kempo und die Kolonien

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Shaolin Kempo ist ein bewegtes Stück Kolonialgeschichte! Wer sich mit den Hintergründen unserer Kampfkunst beschäftigt, stößt schnell auf Begriffe wie KNIL, Kolonien und Unabhängigkeitskriege. Ein genauerer Blick auf diese Historie lohnt sich, denn die Auswirkungen sind gerade für Kempoka heute noch deutlich spürbar. Kempo und die Kolonien – historische Wurzeln des Shaolin Kempo!

Von McKarri, CC BY-SA 3.0

Mit dem Beginn der Neuzeit begann in Europa die Epoche der Entdecker. Deshalb spricht man ja von Neuzeit. Die Menschen begannen, die Märchen der Sekte mit dem Kreuz zu hinterfragen und nicht länger nur dem finsteren Aberglauben des Mittelalters anzuhängen. Naja … „begonnen“ haben die das damals, aber zu Ende sind wir bis heute nicht damit. Das ist aber ein anderes Thema!
Die Erde galt nicht länger als Scheibe, sondern vielmehr als gewaltige Herausforderung für alle Abenteurer und Eroberer. Mit ihren hölzernen Segelschiffen begann ein Wettrennen um Reichtümer, Rohstoffe und Einflussgebiete. Getrieben von einer Allianz aus geltungssüchtigen und absolutistischen Herrschern und ziemlich skrupellosen, andere nennen es wagemutigen, Kaufleuten, angespornt und legitimiert durch eine missionarische christliche Kirche – seit dem 17. Jahrhundert war alles außerhalb Europas nicht mehr sicher vor den Kolonialisten, ihren Kreuzen und Kanonen.

Ab in den Osten

Im Rahmen dieses Selbstverständnisses machten sich auch niederländische Schiffe auf, um sich der Reichtümer der (noch) nicht kolonialisierten Welt zu bemächtigen. Gold ging natürlich immer, doch auch Gewürze waren eine heiße Ware, die sich mit enormem Gewinn verkaufen ließ. Man ahnte ungefähr, in welche Richtung man segeln musste, um an das Zeug zu kommen, denn über den Orient gelangte das eine oder andere Kraut schon zuvor in die europäischen Breiten. Bereits 1499 waren die karibischen Kleinen Antillen und das fernöstliche Surinam entdeckt worden. Rund 100 Jahre später, mittlerweile lagen Spanien und die Niederlande im Krieg, machten sich Flotten holländischer Kaufleute und ihrer soldatischen Begleiter auf, um den „Gewürzinseln“ einen Besuch abzustatten. 1595 bis 1601 verließen mehr als 65 holländische Schiffe die bekannten Gewässer der Nordsee und segelten Richtung Sonnenaufgang. Zunächst alle auf eigene Rechnung. Doch schnell wurde klar, dass man trotz aller Konkurrenz besser gemeinsam handelte. So wurde die „Verenigde Oost-Indische Compagnie“, kurz VOC, gegründet. 1619 wurde die Stadt Batavia auf Java gegründet.

Die ersten Jahrhunderte begnügten sich die Handelsnationen in dieser Weltregion in der Regel damit, Handelsposten zu gründen und zu befestigen. Solange der Rubel rollte, waren die Europäer an einer weitergehenden Einverleibung des Landesinneren nicht interessiert und ließen die Einwohner mehr oder weniger in Ruhe. Muskatnuss und Gewürznelken brachten den Reichtum nach Europa. Die Niederländer vereinnahmten allmählich immer mehr Handelsposten, auch von Briten oder Portugiesen, und wurden zur dominierenden Handelsmacht in Südostasien. Lediglich die Molukken, eine Inselgruppe des heutigen Indonesiens, wurde fast komplett besetzt. Die hatten nämlich aufgemuckt, als sie begriffen, dass sie von den fremden Kollegen mit der weißen Haut ordentlich ausgebeutet wurden. Konsequenz war die brutale Niederschlagung jeglichen Widerstands und die Deportation der Einwohner der Banda-Inseln, die zu den Molukken gehören. Zufällig hatten einige VOC-Kollegen gerade Lust und Zeit, das Land selber zu bewirtschaften.

Griff aufs Ganze

So richtig ungemütlich wurde es für die Region erst, als die Kolonialmächte begannen, sich auch moralisch so überlegen zu fühlen, dass man den „Wilden“ mal so richtig Manieren beibringen musste. Zudem breitete sich der Islam auch immer weiter aus, dem man ebenfalls sehr ablehnend gegenüberstand. Angestachelt durch die Abteilung Kirche setzte es jetzt erst Missionierung und dann Unterwerfung. Wer sich nicht fügte, wurde im Namen der Nächstenliebe abgemurkst. Bis ins 19. Jahrhundert blieb dieses Treiben noch auf die Küstenstreifen von Niederländisch-Indien beschränkt. Doch dann öffnete die niederländische Krone ihre Überseegebiete auch für einzelne Unternehmer und begann, ihre Überseegebiete nicht nur auszubeuten, sondern auch mit Verwaltung und Organisation nach europäischem Vorbild zu beglücken.

Für die meisten Einheimischen war das kein glücklicher Gedanke der europäischen Fremdherrscher. Doch es gab auch positive Aspekte. Wenigstens für die, die mit den Kolonialmächten gemeinsame Sache machten. So stellten die Niederlande nach einem der zahlreichen Aufstände und Kleinkriege (in diesem Fall dem Javakrieg von 1825 -1830) eine eigene Kolonialarmee auf – das ‘Koninklijk Nederlands-Indisch Leger’ (Königliche Niederländisch-Indische Armee/KNIL). Die war vor allem dafür zuständig, die „innere Ordnung“ zu bewahren. Die meisten Angehörigen dieser Armee waren Einheimische, lediglich die Offiziere stammten aus dem kleinen Land an der Nordsee. Da die Molukken schon lange unter direktem holländischem Einfluss befanden, hatte sich hier das Christentum durchgesetzt, während überall sonst der Islam tonangebend war. Das sorgte dafür, dass vor allem Molukker zu Angehörigen der KNIL wurden. Man traute ihnen einfach mehr. Vor allem von der Hauptinsel der Molukken, Ambon, stammten etliche der einheimischen KNIL-Soldaten.

Die christlichen Molukker waren stolz auf ihre enge Bindung zu den Niederlanden und dessen Königshaus. Eine Beziehung mit Folgen, denn auch aufgrund ihrer besseren Schulbildung konnten viele lesen und schreiben und wurden so gern in der Kolonialverwaltung eingesetzt. Sie nannten sich selbst „de zwarte Nederlanders“, die schwarzen Niederländer (wobei es tatsächlich auch schwarze Kolonialsoldaten in Diensten des KNIL gab, nämlich die Belanda Hitam). Dieses enge Band hielt und verstärkte sich durch etliche Jahrzehnte. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte die KNIL gemeinsam mit den Niederländern gegen die Japaner. Und auch nach deren Abzug standen die Soldaten der KNIL treu an der Seite der wiederkehrenden Europäer, die an alte Zeiten anknüpfen wollten.

Brutaler Unabhängigkeitskampf

Die Welt hatte sich gewandelt. Die Völker Südostasiens waren nicht länger bereit, die europäische Fremdherrschaft zu akzeptieren. Und so begann auch in Niederländisch-Indien ein breit angelegter Unabhängigkeitskampf. Zeitgleich verloren die Kolonialmächte ihre vermeintliche moralische Überlegenheit. Man begann auch in Europa, sein Tun in Übersee zu hinterfragen. Und das, was sich in dem jahrzehntelangen Kampf abspielte, war alles andere als moralisch. Nach langem Ringen setzten sich die indonesischen Truppen in einem brutalen Krieg mit enormen zivilen „Verlusten“ durch. Das internationale Ansehen der Niederlande wurde durch zahlreiche Verbrechen gegen das indonesische Volk reichlich ramponiert. Und das Ansehen der KNIL innerhalb Indonesiens war sowieso komplett unten durch.

Molukse KNIL-militairen, 1948 © MHM/coll. P. Matakena

Am 27.12.1949 erklärte sich Indonesien für unabhängig. Damit endeten gut 400 Jahre kolonialen Einflusses der Niederlande und die Existenz Niederländisch-Indiens.

Doch nicht alle waren mit dieser Entwicklung glücklich. Gerade die Molukker fürchteten sowohl die Rache der umliegenden Nachbarn als auch auf Dauer eine Islamisierung und Überfremdung durch die indonesische Regierung auf Java. Also erklärte sich die kleine Inselgruppe 1950 für unabhängig. Man glaubte sich des Beistands der Niederlande sicher, schließlich hatte man jahrzehntelang gemeinsam gekämpft. Großer Irrtum, denn die indonesische Armee griff schon im September 1950 Ambon, die Hauptinsel der Molukken, an und besetzte sie. Sowohl die internationale Gemeinschaft als auch die Holländer schauten zunächst weg und ließen ihre treuen Verbündeten im Stich. Als klar wurde, dass die Situation gerade für die molukkischen Angehörigen der KNIL, die nicht ins indonesische Militär eintreten wollten, immer bedrohlicher wurde, beschloss man in Den Haag, die Soldaten samt ihrer nächsten Angehörigen in die Niederlande zu holen.

 

Die neue ungeliebte Heimat

aus: https://nos.nl/artikel/2373477-70-jaar-molukkers-in-nederland-we-moeten-ons-hele-verhaal-blijven-vertellen.html

Am 20.Februar 1951 verließ das erste Schiff mit 850 Passagieren den Hafen von Semarang in Richtung Rotterdam. Bis Ende Juni 1951 brachten elf Schiffe die 4.000 molukkischen Militärs samt ihrer Familien in die Niederlande. Die meisten von ihnen wurden in alten Militärkasernen oder ähnlich gemütlichen Unterkünften einquartiert. Zunächst war davon die Rede, dass die Molukker nur etwa 6 Monate in der klammkalten neuen Umgebung bleiben sollten. Daraus wurden bekannterweise Jahrzehnte, die noch heute ihre Spuren im holländischen Alltag hinterlassen.

Nicht alle KNIL-Soldaten waren Molukker. Carel Faulhaber etwa, der Vater des Shaolin Kempo, stammte aus Java. Und auch Gerald Meijers alias Dschero Khan, der zweite Gründer des Shaolin Kempo, war KNIL-Soldat, aber kein Molukker. Den Begriff verwendet man in Holland aber trotzdem verallgemeinernd für die Nachfahren der „Zwarte Nederlanders“, der einst so stolzen treuen Bündnispartner der niederländischen Kolonialherren.

Dieser kolonial-militärische Hintergrund ist wichtig, um zu verstehen, welche kulturellen und historischen Einflüsse das frühe Shaolin Kempo prägten.

 

 

Wen meine Zeilen jetzt neugierig gemacht haben, der erfährt hier noch viel mehr Lesens- und Wissenswertes über die holländische Kolonialgeschichte:
Uni Münster – Niederlande Net
Super übersichtlich, locker geschrieben, hervorragende Quelle

70 Jahre Molukker in den Niederlanden
Historie und Selbstverständnis heute – auf holländisch

Kultur der Gewalt – der aktuelle Konflikt auf den Molukken
Eine Magisterarbeit, die einen Blick auf die aktuelle Situation in Indonesien wirft

Der berüchtigte Hauptmann Westerling
Ein alter Spiegel-Artikel über die Gräuel des Unabhängigkeitskampfes

 

 

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