Seminare

Olaf im Kalletal – Besuch vom Meister

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Es ist kurz vor Weihnachten. Was liegt näher, als sich in dieser Zeit auch einmal selbst zu beschenken? Hab ich gemacht. Nämlich mit einer Einladung an Olaf Bock, doch einmal zu einem Seminar ins kleine Kalletal zu kommen. Und er kam!

EigenIMG_1589tlich hat Sensei Olaf das Zigeunerleben der Kampfkunstlehrer über. „Ich will die Wochenenden nicht mehr in der Weltgeschichte und auf Seminaren rumtingeln.“ Viele Jahre war der Kempo-Meister im In- und Ausland aktiv, um seine Vorstellung vom Kempo und sein Wissen an Mann und Frau zu bringen oder sich um den Aufbau von passenden Organisationen zu kümmern.
Meinem Charme konnte er aber offenkundig nicht widerstehen. ? Also stand er an einem winterlichen Samstag mittag tatsächlich in unserer kleinen Halle in Hohenhausen. Zwar ohne Rentiere und Pakete, dafür aber mit Leuchten in den Augen und offensichtlich Lust am Unterrichten.

Was mich besonders freute, war der Zuspruch von Kempoka, denn zeitgleich fanden im Seibukan Gürtelprüfungen statt, die sicher einem Großteil der Interessierten die Teilnahme verwehrten. Blöde Terminlage, aber kurz vor Weihnachten leider unmöglich zu verhindern.
Aber neben den direkten Schülern von Olaf, also Thomas und Thomas aus Bad Bentheim und meiner Wenigkeit, waren auch mein Silat-Lehrer Niki, mein Partner Andreas, mein Schüler Klaus und Kempoka aus Schieder und Bielefeld mit dabei. Eine kleine, feine und fast ausschließlich schwarz gegurtete Truppe, die selber mit viel Sachverstand glänzen konnte.
Olaf begann, wie Olaf immer beginnt: Grundschule. Und wer glaubt, dass ich der Einzige bin, dem die Ausführung a la Shorin Kempo Ryu manchmal schwer fällt – hihi, bin ich nicht! Olaf hatte reichlich zu tun, viel zu erklären und immer wieder zu korrigieren. Und das eben nicht nur bei mir, sondern auch bei den Kollegen links und rechts von mir.
Während das für mich mittlerweile eine willkommene Detailarbeit ist, die mich deutlich weiter bringt, war ich gespannt auf die Reaktion der anderen Kempoka. Doch aus den Augenwinkeln sah ich nur leuchtende Augen und wissbegierige Gesichter. Ob es an Olaf Bocks Ausstrahlung, seiner Souveränität oder dem Spirit unserer Truppe lag? Jedenfalls ließen sich auch ausgewiesene Experten korrigieren und auf vermeintliche Fehlstellungen oder -haltungen hinweisen. Alles andere als gewohnt, denn häufig sind gerade höher Graduierte nicht mehr bereit, sich auf neue Einflüsse einzulassen. Doch die Teilnehmer unseres Seminars waren nicht hier, um den Gürtel zu zeigen, sondern wirklich zu lernen.

IMG_1574Die Long Kuen

Das ging bei den dann folgenden Einheiten weiter. Sehr zu meinem Vergnügen packte Olaf mit der Long Kuen nämlich das nächste Geschenk unter unseren imaginären Kampfkunst-Tannebaum. Im Lung Chuan Fa kennen wir die Kata als „1. Meisterform“. Quatsch, so Olaf. Meisterformen gab es im klassischen Shaolin Kempo nie. Die Long Kuen ist eine Schwertform für die Schmetterlingsschwerter. Als Übung wurde sie waffenlos gelaufen. Und so entwickelte sie ein Eigenleben, wurde zu einer eigenen „Meisterform“. Allerdings vielfach stark modifiziert und vereinfacht.
Also ran an das gute Stück. Da den Lung Chuan Fa-Kempoka die Form geläufig ist, konnten wir uns auf die Detailarbeit konzentrieren. Die Handhaltung, das Heben und Senken, die Atmung und die Stellung speziell des Beckens sind wichtige Elemente, die die Long Kuen erst wirklich ausmachen. Dazu Tempowechsel. Um diese Form wirklich „meisterlich“ zu laufen, werden noch einige Schweißtropfen fließen müssen.
Die Schwerter ließen wir ganz außen vor, denn mit den schweren Hackebeilen verändert sich die Form noch einmal und wird für alle, die Sai oder Butterfly Swords noch nicht geübt haben, noch einmal eine Ecke schwieriger.
Immer und immer wieder liefen wir die Form. Die Temperatur in der Halle stieg kontinuierlich an. „Pause gibt’s nicht“, Olaf grinste. Und noch einmal, und gleich noch einmal. Doch alle hielten durch.

IMG_1630Die Ch’uan Fa

Um sich dann über die nächste Kerze am Baum zu freuen, nämlich die Ch’uan Fa Kuen. Die zweite der klassischen Shaolin Kempo-Kata ist deutlich länger und eine ganze Ecke herausfordernder, was die Technik angeht, als die noch recht kurze Long Kuen. Etliche einzelne Komponenten daraus werden im Lung Chuan Fa in unserer „4. TaiTsuku“ aufgegriffen, doch zahlreiche andere Elemente sind uns unbekannt gewesen.
Gewesen, denn Olaf führte uns zunächst Schritt für Schritt durch die Kata, um sie dann allmählich mit Ausdruck, wechselnden Tempi und Spannung-/Entspannungspassagen üben zu lassen.
Die Ch’uan Fa ist wirklich ein Brett, denn sie vereint etliche der Shaolin-Kempo-Prinzipien in sich. Sich verändernde Standhöhen sind im klassischen Shotokan-Karate eigentlich verpönt, im vom chinesischen Kuntao inspirierten Kempo aber ausdrücklich gefordert. Dazu das weite Eindrehen, wenn es in den Schlag geht, oder das Vor und Zurück des Oberkörpers in Abwehr und Angriff. Vieles für uns ungewohnt und neu zu erlernen.
Was mich daran begeistert, ist das geschlossene Lehrsystem, welches sich in den Formen widerspiegelt. Alles hat Hand und Fuß (auch im übertragenen Sinne), nichts wirkt aufgesetzt oder dazu gedichtet. Geduldig erklärte Olaf Nachfragen, gekonnt veranschaulichte er den Sinn von dieser Abwehr oder jenem Angriff.
Nach guten zwei Stunden endlich eine kurze Pause. Die war nötig, aber knapp. Denn nach einer erneuten Runde Long Kuen und Ch’uan Fa ging es an den Langstock. Im japanischen Bo, im chinesischen Gun genannt. Kurz erklärte Olaf den Aufbau des Lehrsystems im Shaolin Kempo. Fünf einzelne Kata, die eigentlich zu einer Gesamt-Form gehören und nur aus Unterrichtsgründen in fünf Teile geteilt wurden. Dazu zehn Bo-Kumite, also Partnerübungen mit verabredeten Angriffen und Abwehren.

IMG_1682Die 1. Bo-Kata

Dann ging es an die erste dieser Bo-Kata. Und auch beim Bo, mit dem wir im Lung Chuan Fa eigentlich geübt sind, ging es wieder um Details und Ausführungen, die für uns eben doch neu sind, kombiniert mit Abfolgen, die uns unbekannt waren. Beeindruckend, mit welcher Lockerheit Olaf den Bo handhabt. Der Meister ist eben keiner von der Sorte Wichtig Wichtig, der mit dickem Bauch huldvoll seine Schüler scheucht, sondern mit Begeisterung und Elan selber bei der Sache.
Nach guten dreieinhalb Stunden hatte Olaf Bock dann seine Geschenke präsentiert. Thomas Kuclo führte zum Abschluss noch die restlichen vier Bo-Kata vor, Olaf selber gab einen Ausblick auf die von ihm gelehrte Hellebarden-Form, dann waren wir fertig. Und beseelt. Denn was kommt nach dem Beschenken? Richtig: das Auspacken. Und je länger man damit zu tun hat, desto schöner sind die Geschenke. Das wird Monate dauern, bis die Feinheiten alle verarbeitet sind.
In diesem Sinne vielen Dank an Olaf Bock. Und vielen Dank an die Teilnehmer des Seminars, denn alleine Auspacken macht viel weniger Spaß!

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