Die Prüfung zum 1. DAN – „Das wurde ja auch mal Zeit“; war der Kommentar meines langjährigen Freundes Peter Mixa. Den Träger des 7. DAN im Wado Ryu Karate kenne ich seit mehr als 20 Jahren. Und schon damals, Peter war bereits hochdekoriert, konnte ich mit ihm nicht nur über Autos, sondern auch über Kampfkunst fachsimpeln.
Es ist geschafft, ich binde in Zukunft meine Jacke mit dem schwarzen Gürtel zu. Momentan noch allerdings mit einem etwas zwielichtigen Gefühl. Und das kommt so:
Eigentlich hab ich mich sehr sicher gefühlt vor der Prüfung. Monatelang habe ich mich vorbereitet, die letzten Wochen nahezu täglich geschwitzt, gedehnt und geübt.
Eigentlich, so dachte ich, hatte ich alle Schwachstellen meines nach wie vor überschaubaren Könnens einigermaßen sicher im Griff. 5 Saifas, 4 Tai Tsukus und die 1. Meisterform saßen sicher. Als Waffenformen hatte ich mir die 2. Bo-Kata und die Sai-Kata ausgesucht. Für die Sai, die sich beim Wirbeln so gern in den Anzugärmeln verhaken, hatte ich extra die Ärmel meines Gi kürzen lassen.
Eigentlich waren alle Partnerübungen, also 10 Techniken und 30 Kumite, unzählige Male geübt.
Normalerweise werden all diese Fähigkeiten und noch einige mehr, etwa Bo-Blockformen oder Selbstverteidigung, in einer Prüfung abverlangt. Entsprechend gespannt war ich, ob meine konditionellen Fähigkeiten für dieses Marathon-Programm reichen würden. Technisch hatte ich alles drauf (dachte ich), und in Sachen Einstellung war auch alles klar (weiß ich).
Am 20. Juni war es dann soweit: Ich hatte mir gewünscht, dass ich nicht im üblichen Rahmen, also von unseren still-internen Meistern, sondern vor etwas größerer Bühne geprüft würde. Und da in unserem Verband Seibukan die Sommerprüfungen anstanden, lag es nahe, bei der Oberstufen-Prüfung teil zu nehmen. Also versammelten sich neben meinem Trainer Flo auch noch Andreas Brechmann (6.DAN Kempo), Herbert Zielinski (4. DAN Kempo), Sylke Kielon (4. DAN Kempo), Reinhold Weidemann (3. DAN Kempo) und Max Hettmann (2. DAN Kempo) als Prüfergremium. Eine illustre Runde, die nahezu alle Kempo-Stile unserer Region vertrat.
Zusammen mit mir traten acht weitere Prüflinge an, teils zum Braungurt, teils zum 1. oder sogar zum 3. DAN. Der Haken dieser großen Gruppe: Es sollten nur Auszüge aus dem eigentlichen Prüfungsprogramm gezeigt werden. Der Haken für mich: Ich war aufgeregt wie ein Anfänger. Und obwohl ich sonst eigentlich eine ziemlich coole Socke sein kann, legte sich das dieses Mal die Nervosität erst viel später. Erste Wackler hatte ich schon bei den Ippon-Kumite. So richtig in die Büx ging dann die zweite Kata, die ich zeigen sollte, nämlich unsere 5. Saifa. Auf einmal ging gar nichts mehr. Also kurze Pause, danach noch einmal. Das war peinlich … Die ganzen restlichen Formen über begleiteten mich kleine Unsauberkeiten und Wackler, die ich längst ausgemerzt glaubte.
Lockerer wurde ich erst, als mein Trainer Flo, der mich durch die Prüfung lotste, freies Kämpfen verlangte. Dabei kam die Sicherheit wieder, danach lief auch das Selbstverteidigungsprogramm mit meinem Partner Uwe reibungslos. Und als dann auch noch die Bruchtests sauber klappten, war klar, dass ich die Prüfung ziemlich souverän bestehe.
Doch meinem Ehrgeiz und eigenen Selbstverständnis genügt eine „nur bestandene“ Prüfung eigentlich nicht. Ich bin mir zwar sicher, das ich den 1. DAN zu recht tragen kann und darf, aber so richtig zufrieden bin ich mit der eigenen Leistung eben nicht.
Doch so ist „der Weg“: Immer wieder werden einem neue Aufgaben und Herausforderungen aufgezeigt, teils auch ganz unerwartet. Genau das ist ja das Spannende bei der Beschäftigung mit Kampfkunst: Der eigentliche Kampf findet mit dem eigenen Ich statt.