Verflixte Gürtelprüfungen können eine willkommene Gelegenheit sein, sein Können zu demonstrieren. Oder mächtig in die Hose gehen. Und zwar sowohl für den Prüfling als auch für den Prüfer, und vor allem für den oder die Trainer.
Wie schon beschrieben, gibt es farbige Gürtel zur Unterscheidung seines Könnens noch gar nicht so lange. Erst der Erfinder des modernen Judo, Jigoro Kano, hat sie sich ausgedacht. Dabei hat er sich an ein System angelehnt, welches ursprünglich von einem Brettspiel, dem Go, abgeleitet ist. Im japanischen Karate gibt es erst seit den 1920er Jahren das Graduierungssystem mittels Gürtel. Im heutigen klassischen Kobudo und Karate auf Okinawa gibt es immer noch eine große Anzahl Dojos, in denen es überhaupt keine farbigen Gürtel gibt. Lediglich Kinder werden dort nach Farben geprüft. Erwachsene trainieren fleißig, und wenn sie gut genug sind, dann erhalten sie nach ein bis zwei Jahren den ersten Schwarzen Gürtel. Kann natürlich länger dauern, wenn man faul ist … (mehr zum System der Kyu- und DAN-Grade hier)
In kriegerischen Zeiten machte eine Graduierung ja auch weniger Sinn. Wer gut genug war, überlebte eine Auseinandersetzung. Wer nicht so gut war, lernte durch Verletzungen. Oder schied endgültig aus dem Leben. Da half auch kein Gürtel … Erst durch den Sport und seinen Leistungsgedanken etablierte sich die Idee, sein Können anhand sichtbarer Auszeichnungen zu demonstrieren.
Vor wenigen Tagen waren auch beim Budo SV Kalletal wieder Gürtelprüfungen. Meine Aufgabe war dieses Mal die eines Prüfers, neben Uwe und Cheftrainer Florian. Und obwohl ich mich ein wenig aus dem Trainer-Dasein zurückgezogen habe, schlug mein Herz mindestens so hoch wie bei einigen Prüflingen. Zunächst ohne Grund: Bei den jungen Nachwuchs-Kempoka gab es keine oder nur positive Überraschungen. Gerade bei den Kindern hatten wir einige Prüflinge dabei, wo wir allgemein annahmen, es wären eher Wackelkandidaten. Doch weit gefehlt. Die Zwerge zeigten einen Leistungswillen und eine Power, die wir selbst beim normalen Training selten zu Gesicht bekommen. Und auch mein Trainingspartner Andreas nahm die Hürde für seinen so lange überfälligen Gelbgurt trotz einiger Nervosität locker. Dem Herren sieht man seine Kampfkunst-Vergangenheit eben deutlich an.
Doch dann kamen unsere beiden „Großen“. Und die konnten ihre Nervosität und Unsicherheit während der gesamten Prüfung nicht aus den Knochen schütteln. Im Gegenteil: Obwohl wir genau wissen, dass die beiden ihre Anforderungen locker drauf haben, stockten unsere Trainings-Weltmeister selbst bei einfachen Übungen. So wurde das nichts mit dem angestrebten Kyu-Grad, die beiden mussten sich mit dem wenig willkommenen Zwischengurt zufrieden geben. Die Enttäuschung war bei allen groß. Wie wenig wir damit gerechnet hatten, zeigte, dass wir nicht einmal die passenden Gürtel dabei hatten.
Die Klatsche saß. Und zwar nicht nur für die beiden Prüflinge. Sondern viel eher noch für uns, ihre Trainer und Trainingskollegen. Denn beide Schüler hatten in den letzten Monaten, ach was, Jahren, eine vorbildliche Leistungsbereitschaft und Trainingsfleiß gezeigt. Keine Aufgabe zu schwer, kein Meckern beim Schwitzen und Keuchen, immer wissbegierig und vorne dabei.
Gewissensfrage
Für uns als Prüfer stellte sich natürlich die Frage: Wollen wir die beiden nicht trotzdem mit ihrem erstrebten Gürtel belohnen? Wir wissen ja, dass sie das Gelernte eigentlich drauf haben. Und schließlich kennen wir uns gut, mögen uns sehr. Wie reagieren die Beiden auf die sichere Enttäuschung? Wie ist die Stimmung im nächsten Training? Doch ich bin froh, dass wir uns dagegen entschieden haben, die angestrebten Kyu-Grade zu verleihen. Und das hat etwas mit Respekt den beiden Schülern gegenüber zu tun.
Für jeden Kampfsportler ist die nächste Prüfung immer die höchste, die er in seinem Kampfkunstleben zu absolvieren hat. Und damit auch die bislang wichtigste Prüfung seiner Karriere. Und die will er natürlich mit dem möglichst besten Ergebnis bestehen. Es sollte keinem Kampfsportler reichen, den nächsten Gurt auf Biegen und Brechen zu bestehen, egal wie. Die Typen, denen lediglich die Gurtfarbe und damit das Ergebnis wichtig ist, haben die Philosophie der Kampfkünste nicht verstanden und sollten lieber Fußball oder Tischtennis spielen. Allein der Respekt vor der Leistung im Training gebietet es schon, eine Prüfung auch ernst zu nehmen. Und in diesem Ernst ist eben auch die Gefahr des Scheiterns enthalten.
Es muss das Ziel sein, für sich selber genau zu wissen, dass die eigene Leistung nahezu jederzeit abrufbar ist. Und dass man seinen Gurt mit voller Berechtigung tragen kann, auch im Vergleich zu anderen Schülern aus fremden Dojos. Ich bin sicher, dass gerade die beiden, die dieses Mal nicht glänzen konnten, an sich genau diesen Anspruch stellen und ihm beim nächsten Versuch auch voll gerecht werden können.
Zudem ist eine Prüfung, bei der man nicht „verlieren“ kann, also immer bestehen wird, keine Herausforderung. Das Nicht-Bestehen ist die Gefahr, der sich heutige Kampfsportler stellen müssen. Hier haben wir dann auch wieder Parallelen zur kriegerischen Vergangenheit der Kampfkünste. Nur, dass man heute maximal mit einer Enttäuschung aus der Halle geht und nicht mit dem Kopf unter dem Arm wie in vergangenen Zeiten!
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich habe vor vielen Jahren als DAN-graduierter Judoka Prüfungen abnehmen können und ähnliche Erfahrungen gemacht. Als Kind bin ich nach der Prüfung voller Stolz mit Jacke und dem neuen gelben Gürtel schlafen gegangen…
Jetzt bin ich über 60 Jahre alt und stelle mich den Prüfungen im japanischen Bogenschießen Kyudo.
In Europa nehmen einmal jährlich aus Japan angereiste hochgraduierte Kyudoka (mindestens 7. Dan) alle Dan-Prüfungen ab. Da man ohne jedes Probeschießen seine 2 Pfeile auf das Ziel schießen, ab dem 4. Dan immer treffen und die gesamte Bewegung in der Gruppe fehlerfrei vorführen muss, ist die Durchfallquote recht groß.
Den 4. Dan besteht oft nur jeder zehnte Prüfling, den 8. Dan (die letzte mögliche Prüfung immer auch vor dem Präsidenten des Kyudo-Verbandes) sogar nur jeder hundertste Bewerber.
Am Anfang geht es schnell:
Nach einem Jahr (bei täglichem Training – 250 Trainingseinheiten/Jahr – also ca. 700 Trainingsstunden/Jahr) erreicht man in Japan als Student mit 25 Jahren den 1. Dan.
Dann benötigt man viel, viel Zeit…
Vom 5. Dan bis zum 8. Dan dauert es dort noch ca. 30 Jahre..
Infos zu Kyudo in Detmold: http://www.kyudodetmold.de.tl
Gerne zeige ich Kyudo auch einmal in eurem Verein… natürlich kostenfrei!
Peter Kollotzek, Tel. Detmold 05231-64208
Hallo Peter,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Es wäre uns eine Ehre, wenn Du den Weg ins Kalletal finden würdest. Alternativ kommen wir auch gern einmal in Detmold vorbei, der Weg ist ja nicht weit.
Herzliche Grüße,
Lutz