Familientreffen mit Stock: mehr als 35 Kampfkünstler, drei hochrangige Referenten, zwei faszinierende Kampfkunststile – das war ein Mega Event am letzten Wochenende in der kleinen Sporthalle in Hohenhausen. Kempo meets Silat war das Motto, zu dem Aktive aus der ganzen Region und sogar aus Wiesbaden ins kleine Kalletal kamen. Im Gepäck den Langstock, denn der war das zugrunde liegende Thema dieses siebenstündigen Doppellehrgangs.
Hintergrund des denkwürdigen Seminars waren meine Begegnungen mit den unterschiedlichen Arten, sich mit dem hölzernen Gerät zu beschäftigen. Natürlich beim Kempo, bei dem wir intensiven Kontakt mit dem natürlichen CO2-Speicher haben. Dann die Lehrgänge bei Frank Pelny, die mir intensive Einblicke in die japanische Art des Umgangs mit dem Bo verschafften. Und natürlich im Silat, die mit der langen Stange ebenfalls gekonnt aufeinander eindreschen können.
Und da ich in der paradiesischen Lage war, dass die Hallen offen, die Coronazahlen niedrig und befreundete Referenten willig waren, hab ich mir quasi ein tolles Seminar selbst geschenkt. Zwar ohne Sensei Pelny oder einen Vertreter der japanischen Kobudo-Richtungen, jedoch mit den Silatmeistern Niki und Marcus aus der Detmolder Faustwerkstatt sowie Sifu Olaf Bock, der die Shaolin Kempo-Richtung und damit die Kuntao-angehauchte Variante des Bo vertrat. Soviel sei vorweg verraten: Für einen intensiven Muskelkater reichten diese beiden Stilrichtungen bei weitem aus.
Endlich wieder gemeinsam
Am Samstag dann die zunächst übliche Nervosität des Veranstalters: Kommen auch alle? Wieviele werden es letztendlich nach der langen Corona-Pause denn wirklich? Sind die Referenten nicht nur gesund und munter, sondern auch pünktlich und gut drauf? Doch ganz schnell legten sich alle Sorgenfalten. Tatsächlich trudelten weit über 30 Kampfsportler aus Lemgo, Detmold, Paderborn, Leopoldshöhe, Rinteln, Melle, Nordhorn, Bad Bentheim und sogar dem fernen Wiesbaden ein und begrüßten sich. Allen war deutlich anzumerken, wie erleichternd es war, endlich mal wieder in größerem Rahmen gemeinsam Kampfkunst zu betreiben, völlig ungeachtet von Stil und Rang der Teilnehmer.
Kurze Begrüßung, dann ging es mit der ersten Einheit los. Der Stock im Silat Suffian Bela Diri, der Silat-Spielart von Niki und Marcus. Die beiden erklärten kurz die historischen Eigenheiten der indonesisch-malayischen Handhabung, etwa die Situation des Kampfes auf dem Schlachtfeld. Hier finden sich große Unterschiede zur Duell-Situation, wie sie meist bei japanischen oder chinesischen Stilen angenommen wird. Daraus entwickelten die beiden Experten Grundtechniken, Eigenarten des Griffes und der daraus resultierenden Handhabung sowie Besonderheiten in der Fußarbeit. Ganz schnell hatten sie ihr Publikum im Griff und faszinierten mit immer neuen Drills. Die wurden dann meist in Partnerübungen vertieft. Fußarbeit als Basis jeder Technik, dazu Drehpunkte des Körpers rund um die hölzerne Stange und das Heben und Senken als Verstärkung der Wirkung: Der Schweiß floss nicht nur aufgrund der vielfach ungewohnten Bewegungen, sondern auch der Konzentration auf den Umgang mit dem Langstock. Einige der Teilnehmer waren alte Hasen in Sachen Langstock, doch waren auch komplette Newbies dabei, die in ihren heimatlichen Schulen den Umgang mit dem Langstock gar nicht kannten.
Da die Partner aber immer wieder wechselten, waren die unterschiedlichen Kenntnisse bald überhaupt kein Problem mehr. Und die Lehrweise in Drills statt in festgelegten Abläufen, ebenfalls häufig ungewohnt für die Vertreter klassischer Kampfkunststile, erwies sich einmal mehr als ein einendes Element. Rasch war die Halle erfüllt nicht nur von Keuchen, Schwitzen und Konzentration, sondern auch von gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt voreinander. Der hölzerne Bo kann ein strenger Lehrmeister sein, der Fehler schnell mit blauen Flecken oder heftigeren Blessuren bestraft. Doch an diesem Samstag kam es zu keiner nennenswerten Verletzung, alle hatten sich und ihre Bambus-, Rattan- oder Eichengeräte gut im Griff und den Partner im Blick.
Anders, aber ähnlich
Olaf Bock, Großmeister des Shaolin Kempo, begann dann nach der kurzen Mittagspause. Auch er erläuterte knapp die Hintergründe des Bo oder Gun, wie er im Chinesischen genannt wird. Und schon ging es in erste Grundtechniken von Schlägen, Blöcken und Wirbeln. Jetzt zeigten sich die Damen und Herren aus der Silat-Abteilung sehr konzentriert, denn zunächst erschien die veränderte Griffhaltung komplett ungewohnt. Doch schnell hatten alle den Dreh im wahrsten Sinne des Wortes raus. Und als Sifu Olaf dann erste Partnerübungen zeigte und üben ließ, waren alle wieder in ihrem Element. Denn wieder einmal zeigte sich, dass die historischen Wurzeln der beiden zunächst so unterschiedlich erscheinenden Kampfkünste bei näherer Betrachtung doch eng beieinander liegen. Was dazu führt, dass sich auch die Experten des Silat ganz schnell zurechtfanden in zunächst fremdem Terrain.
Eine letzte kurze Pause, dann ging Olaf Bock dazu über, eine der klassischen Kempo-Formen mit dem Langstock zu zeigen und üben zu lassen. Er wählte die fünfte und letzte der Formen des Shorin Kempo, die zahlreiche Griffwechsel und Drehungen beinhaltet. Auch hier war es wieder faszinierend zu sehen, wie schnell die Silat-Fraktion in ihrem Element war. Eigentlich kennen die Aktiven des Silat Suffian Bela Diri gar keine festgelegten Kata, doch da die grundlegende Dynamik des Langstocks so ähnlich ist, waren die Abläufe für alle gar kein Problem.
Familientreffen mit Folgen
Nach insgesamt fast sieben Stunden waren dann beide Einheiten absolviert, literweise Schweiß vergossen, ganz viele neue Eindrücke gewonnen und alte und neue Freundschaften geschlossen oder vertieft. Und der Budo SV Kalletal hatte sich einmal mehr als ein kleines, aber feines Zentrum für den Umgang mit dem Langstock gezeigt. Nur den unvermeidlichen Muskelkater, den mussten alle Aktiven nach all der Anstrengung jeder für sich ausfechten.
Kempo und Kobudo
Der Langstock im Shaolin Kempo
Grundsätzliches zum Bo
Sensei Frank Pelny im Kalletal
Faustwerkstatt Detmold
Silat Detmold
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Mein Freund!
Es war, wie immer, großartig! Nach so einer langen Trainingsabstinenz sich wieder in der halle zu treffen und dem nachzugehen, was einem sehr am herzen liegt. Und dies in dieser Konstellation: Silat und Shaolin Kempo. Das Referententeam hat jeden gefordert aber auch gefördert. Die Truppe hatte sichtlich Spaß. So muss es sein!
Silat-Einheit: wunderbar erklärt, vorgeführt, tolle Techniken. So bekam man einen sehr guten Einblick in diese Kampfkunst. Danke Markus, Danke Niki!
Shaolin-Kempo-Einheit: Unser Sifu! Mit seiner Ruhe und Gelassenheit zeigt er Dir wo es lang geht und nimmt Dich mit auf die Kempo-Reise. Herrlich. ???? Ich habe schon einige Meister und Großmeister erlebt, bzw. solche, die sich so nennen. Doch keiner von denen verfügt über derartiges Wissen über das Shaolin Kempo wie er. Danke Olaf !
Freue mich auf die nächsten Seminare! Bis bald ????
[…] Andreas bereitete sich auf seinen 1. DAN vor. Meine eigene Prüfung stand zunächst überhaupt nicht zur Disposition. Doch die Prüfung wurde aufgrund der Tücken von Corona immer wieder verschoben. Nach wie vor machte ich mich mindestens einmal im Monat auf, um bei Sifu Olaf open air zu trainieren. Erst im Frühjahr 2021 ließ das Pandemie-Geschehen erste vorsichtige Lockerungen und damit gemeinsame Trainings zu. Endlich wieder gemeinsam in der Sporthalle. Das musste gefeiert werden. Ideen zu gemeinsamen Trainings habe ich mehr, als wir für den Rest meines Kampfkunstlebens realisieren können. Ein wesentlicher Antrieb meines Tuns ist die Suche nach Gemeinsamkeiten und auch Trennendem mit anderen Stilen. Was lag da näher, als ein Langstock-Seminar für Kempo und Silat zu veranstalten? Das Seminar war dann auch der erhoffte Knaller (hier zu lesen). […]