Interview

Interview: 24/7 für die Kampfkunst

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Ich bin ein Glückspilz. Denn ich hab es mir einfach gemacht. Ich bin auf der Suche nach den Ursprüngen meines Kempo zunächst zu meinem Lehrer Witalli Reingard gegangen und habe mit ihm trainiert und ihn befragt. Und mit Nikolas Sandrock habe ich den nächsten Lehrer gefunden, der ein tiefes Verständnis vom Kempo hat. Auch mit ihm darf ich trainieren. Und aufgrund meiner chronischen Neugier hab ich ihn natürlich auch mit Fragen gelöchert. Mit welchen, verrate ich hier:

Niki 07
Steckbrief

Name: Nikolas Sandrock
Stil: Silat Suffian Bela Diri
Grad: 2. DAN Kempo, aber eigentlich sind Niki DAN-Grade egal
wohnt in: Asendorf (Kalletal)
trainiert: u.a. in der Faustwerkstatt Detmold, auf Seminaren, im privaten Dojo

Wann und wie begann Deine Laufbahn als Kampfsportler?

Mit 6 Jahren, 1983 Judo beim Budo SV Kalletal.

Welches waren Deine Trainer, welche Einflüsse haben Dich geprägt?

Das sind in 32 Jahren eine Menge Trainer gewesen, aber meine Meister sind Marc Richards vom Dragon Fist Kempo und Maul Mornie, Silat Suffian Bela Diri.
Marc hab ich etwa 1990 kennengelernt, bis dahin hatte ich mich mit Judo, Shotokan und Hadaka Kempo beschäftigt. Er zeigte mir Kempo, das hart und effektiv ist und führte mich auch an die anderen Seiten der Kampfkünste (KK) heran. Ich durfte ihn besuchen und an seinem Leben teilnehmen und erfahren, wie er die KK in seinen Alltag integrierte. Er lehrte mich zu trainieren und meine körperlichen Grenzen zu erfahren und zu überschreiten. In stundenlangen Gesprächen erläuterte er mir die Werte der Kampfkunst und brachte mir bei, zu reflektieren, zu analysieren und an Körper und Geist zu feilen und zu optimieren. Über Jahre verbrachte ich fast jeden Tag mit und bei ihm – Training, Wettkämpfe, Lehrgänge, Training. Ab meinem 16. Lebensjahr durfte ich ihn beim Unterrichten unterstützen.Das war wohl die prägendste Phase meines Lebens.

ssbd lock3Unter Maul zu trainieren ist etwas ganz anderes. Marc’s Unterricht basierte auf Bewegung, tagelangem Austrainieren.  Maul lehrt Prinzipien. Er gibt Wissen komprimiert weiter. Ein Wochenende mit Maul ist wie ein Jahr Training in einem Verein. Maul hat mein Verständnis von Technik und Taktik massiv erweitert. Auch hat sein Humor und seine lockere Art meine eigene Art zu unterrichten verändert.
In den verschiedenen Phasen meines Lebens habe ich mich mit den verschieden Seiten der KK beschäftigt, mit der SV, Technik und Taktik, der Bewegung und Darstellung, mit Spiritualität und Philosophie, mit Energie und Gesundheit. Für jeden dieser Aspekte hatte und habe ich Lehrer, jeder von ihnen hat mich und meine KK mitgeprägt und jedem von ihnen bin ich unglaublich dankbar.

Wie hast Du Dein Kempo weiterentwickelt, nachdem Du die Gruppe um Marc verlassen hast? Was hast Du verändert, was ergänzt? Und was „fehlt“ oder fehlte dem Kempo, was vermisst Du?

Ich habe mir damals viel Zeit genommen, alles Erlernte auseinander zu nehmen und zu verstehen. Zunächst wollte ich mehr wissen über die im Kempo verborgene spirituelle Symbolik und deren Wirkungsweise. Dazu habe ich alte buddhistische, hinduistische und taoistische Lehren und Techniken studiert und mich mit Yoga, Taiji, Hsing Yi, Kyusho Jitsu und Bagua beschäftigt. Im Kempo ist vieles angelegt, aber nichts wirklich ausgeführt. Das ist nicht unbedingt schlecht. Wie ein Wald voller Geschenke, und jeder findet nur die, die für ihn bestimmt sind und entpackt sie – oder auch nicht.

Später habe ich versucht, die technische Seite des Kempo aufzuschlüsseln. Das Hauptproblem ist die Fülle der Bewegungen. Selbstverteidigung muss schlicht sein, damit sie unter Stress funktioniert. Also habe ich mich in unseren Formen und Techniken auf die Suche gemacht nach Prinzipien, also wenige, einfache Bewegungsmuster, die sich auf viele unterschiedliche Angriffe anwenden lassen. Ich habe sie gefunden und bald darauf entdeckt, dass andere Stile bereits mit ähnlichen Prinzipien arbeiten. Also habe ich mich mit philippinischen Kampfkünsten (FMA) auseinander gesetzt.

Zu deiner Frage: Ich habe nichts ergänzt, sondern die Prinzipien, die eh schon vorhanden waren, extrahiert und Übungsmethoden dafür entwickelt und dafür gesorgt, das die Symbolik des Stiles in den meditativen Übungen eine Ordnung erhält, so dass es den Schülern leichter fällt, sie zu finden, wenn sie dazu bereit sind.

Gibt es Nachfolger in Deinem Stil?

Jeder ist der Nachfolger, und es ist nicht mein Stil. Es ist das Lung Chuan Fa, Dragon Fist Kempo. Marc hat das Wissen gesammelt und sortiert, ich hab von ihm gelernt und es nach bestem Wissen weitergegeben. Jeder Lehrer versteht die Kampfkunst anders und verändert die Unterrichtsmethodik nach seinem Verständnis. Das ist kein neuer Stil. Man kann es auch andersherum sagen: Jeder kreiert seinen Stil, anhand seines körperlichen und geistigen Potentials. Wenn wir zwei je 15 Jahre den gleichen Stil trainieren, kommt am Ende etwas anderes dabei heraus.  Nochmehr, wenn wir unterschiedliche Stile trainiert haben. In dem Moment, in dem wir uns intuitiv bewegen, ist das, was dann zu sehen ist, unsere eigene Kampfkunst. Deswegen halte ich nicht so viel von Stilen und Traditionslinien – jeder klaut bei jedem, und das ist vollkommen in Ordnung, man nennt das Entwicklung.

Nikolas 01Wie bist Du zum Silat gekommen? Die Silat-Gemeinschaft scheint eng vernetzt und etwas anders strukturiert als „normale“ Kampfkünste.

Über youtube. Ich hab Maul’s Videos 2008 entdeckt und mir jeden Tag angesehen und all meine Freunde damit genervt. Die Parallelen zum Kempo sind offensichtlich, die Arbeit mit den Prinzipien noch klarer als im FMA. Im Sommer 2009 bin ich mit meinem Trainingspartner nach Wiesbaden gefahren, um ein Seminar mitzumachen. Neben den unglaublichen Fähigkeiten, die Maul als Kampfkünstler hat, gefiel uns vor allem der freundliche, konkurrenzfreie Umgang in der Gemeinschaft. Keine Politik, keine Gürtel, keine Hierarchie – nur Kampfkunst. Also sind wir geblieben.

Was sind Deine nächsten Ziele?

Meine persönlichen Ziele in der Kampfkunst (hm) … Erstmal gibt es für mich noch so viel gesammeltes Wissen auszutrainieren. Ich freue mich darauf, mit meiner kleinen Gruppe immer tiefer einzutauchen und unsere Fähigkeiten zu optimieren. Trainieren halt! Sollte es noch mehr geben für einen Kampfkünstler?
Mein Ziel für die Faustwerkstatt ist weiterhin Seminararbeit. Wir wollen uns weiter etablieren im Bereich Selbstverteidigung/Selbstbehauptung und der Schulung von SV-Instruktoren. Dazu arbeiten wir mit verschiedenen Schulen, Trägern und Einrichtungen in den unterschiedlichsten Bereichen, und das bisher mit durchschlagendem Erfolg.

Du warst oder bist ein echter Profi, hast als „Professional“ von Deiner Kampfkunst gelebt. Wie vereinbarst Du heute Beruf und Familie mit Deiner ziemlich zeitraubenden Leidenschaft Kampfkunst?

Ich habe zwei Jobs: Zum einen die Faustwerkstatt, und zum anderen die Zimmerei. Solange meine drei Töchter noch klein sind, will ich soviel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen. Das ist bei regulärem Kursbetrieb der Faustwerkstatt (täglich 15-22 Uhr) nicht möglich gewesen. Daher der Rückzug der Faustwerkstatt in den Bereich Seminare. Mein Dojo habe ich jetzt in meinem eigenen Haus, so können die Kinder notfalls beim Training dabei sein. Meine Familie kennt meine Leidenschaft und weiß, dass bei mir 24 Stunden Kampfkunst im Kopf ist. Und sie räumt mir zum Glück regelmäßig Zeit ein für Training und Fortbildung und bringt eine Menge Geduld auf, wenn Papa mal wieder nicht ansprechbar ist, weil er von Techniken träumt …

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