Knochen knacken in Holland – okay, das war nicht der offizielle Titel. Aber die Voraussetzungen stimmten. Mit Niki und Marcus, Alex und Patrick ging es am ersten Oktober-Wochenende nach Amsterdam. Genauer nach Hoofddorp. Zum Silat-Seminar mit Meister Mornie. Das versprach spannend zu werden, denn Maul Mornie besitzt mittlerweile weltweiten Kultstatus.
Doch Amsterdam besteht nicht nur aus Grachten und Fahrrädern, sondern auch aus Stau, Baustellen und Umleitungen durch ziemlich uniforme Vororte. Und so kamen wir dezent zwei Stunden zu spät zum samstäglichen ersten Trainings-Tag. Veranstaltet wurde das Seminar von der hollandischen SSBD-Gruppe. Angereist waren Teilnehmer aus ganz Europa. Und das Dojo (Gym Satria Muda) ist offensichtlich auch ein klassisches Silat-Dojo mit vielen Gesichtern, denen man ihre Wurzeln in Südostasien ansieht. Auf jeden Fall war es rappelvoll und wir nach wenigen Minuten mittendrin im Geschehen.
Der erste Tag – zu schnell
Ich hatte zuvor meinen Lehrer Niki befragt, ob mein Wissensstand für ein Seminar bei Maul Mornie ausreichen würde. Keine Ahnung, warum er das bestätigte. Wir waren jedenfalls im Kaltstart sofort voll drin im Geschehen. Und die ersten Einheiten fühlte ich mich leicht überfordert, denn Maul verlangte den permanenten Partnerwechsel, um Basis-Drills zu trainieren. Und das ist, wenn man selber noch unsicher ist in Sachen Ablauf, ziemlich herausfordernd. Viele Teilnehmer besaßen nämlich ebenfalls offensichtlich wenig Silat-Vorkenntnisse. Und wenn dann zwei solcher Bewegungs-Legastheniker aufeinandertreffen, gibt es ein wildes Kuddelmuddel in Sachen Arm und Bein. Dabei will man doch gut aussehen, wenn der Meister guckt! Was sich allerdings auszahlte, war das körper- und kontaktbetonte Training von Niki. Da macht es nix, wenn Unterarme aufeinanderkrachen. Jedenfalls mir nicht :-). Die Gegenüber guckten manchmal doch ein wenig … überrascht.
Maul arbeitete einige Drills aus und ließ uns diese in zahlreichen Variationen üben. Dieses Vermitteln von verschiedenen Möglichkeiten, um einem Angriff zu begegnen, ist typisch für Silat. An sich perfekt, doch aufgrund der vielen Teilnehmer und des stark unterschiedlichen Wissensstands ging es mir vielfach viel zu schnell. Kaum hatte ich einen Ablauf halbwegs begriffen, kam schon die nächste Variante. Und der nächste Partner.
Magic Maul Mornie live
Natürlich war es ein Genuss, Maul Mornie in Aktion zu erleben. Traumhaft, mit welcher Sicherheit dieser Silat-Meister sich bewegt, sich immer ideal zu seinem Gegenüber positioniert und auf jede Situation eine Antwort hat. Die Fußarbeit perfekt, die Struktur bombenfest und die Techniken blitzschnell und extrem effektiv. Dazu die ganz besondere Art, mit der Maul sein Publikum (oder seine Anhänger) fesselt: zurückhaltend, respektvoll, mit Humor und ohne große Worte. Genau dieser Gegensatz von absolutem Können, tödlichen Techniken und zugleich respektvollem und zurückhaltendem Umgang macht Maul Mornie so faszinierend. Der lächelt noch charmant, wenn er einem den Kopf abgedreht hat und das Blut spritzt. Da fühlt man sich doch gleich gut aufgehoben! Video vom Seminar in Holland
Soweit kam es nicht. alle blieben (fast) heile. Und ich bekam so langsam eine Ahnung von der SSBD-Familie. Denn obwohl ich die Techniken gern austrainiert hätte, um sie in meinen begriffsstutzigen Schädel zu bekommen, hatten die permanenten Wechsel auch etwas Gutes. Man kommt so mit fast allen in Kontakt. Und die Menschen, die sich der Kampfkunst auf diesem Niveau verschreiben, sind schon etwas wirklich Besonderes. Spinner alle miteinander, sonst verhaut man sich nicht freiwillig gegenseitig so dermaßen. Doch gleichzeitig extrem offen und zugewandt, herzlich und respektvoll. Das, was mich in der Trainingsgruppe von Niki im fernen Kalletal schon so fasziniert, erlebte ich hier auf einem neuen Level, denn hier tickten alle so.
Training beendet, Übernachtungsmöglichkeit bei einem Silat-Freund gefunden und äthiopisches Fingerfood „genossen“: Unsere improvisierte Schlafstätte mitten in Amsterdam verzierte ich durch intensive Waldarbeit. Beim Blick in die geräderten Gesichter meiner Mitstreiter am nächsten Morgen war klar: Ich muss beim nächsten Mal ein Einzelzimmer beziehen.
Der zweite Tag – am Ende
Am zweiten Seminar-Tag konnten wir die Drills, die unter dem Motto „Attacking Flow“ standen, paarweise mit mehr Zeit üben. Was meinem Lernverhalten deutlich entgegenkam. Und vor allem mit Alex und Patrick hatte ich zwei großartige Partner, denen die Geduld mit dem älteren und ein wenig schwerfälligen und langsamen Kollegen scheinbar kaum abging. Dazu wurden wir noch vom „großen Alex“ und Marina verstärkt, die am Abend zuvor noch nachgekommen waren. Doch am Ende der sieben Stunden, nach unzähligen Würfen und Bodenkontakten, hatte ich das Gefühl, nicht ein einziges Mal mehr aufstehen zu können. Nur Niki und Marcus waren noch topfit und frisch und voll dabei. Doch beim Blick durch die Halle war ich beruhigt: Auch die meisten anderen Teilnehmer waren platt, nicht nur meine Kondition war am Ende.
Fazit: nicht so einfach zu ziehen. Natürlich ist es irre, Maul Mornie einmal nicht nur durch YouTube zu erleben, sondern live in Aktion zu sehen. Aber aus dem Alter von Fan-Gekreische und Autogramm-Jagden bin ich doch etwas raus. Wie bei den meisten Seminaren ging es mir vielfach zu schnell. Da trainiere ich lieber im Kalletal bei Niki und lerne die Techniken in kleiner Gruppe und dann in der Tiefe. Mein Können reicht (noch) nicht, um die Feinheiten, die Maul Mornie den Könnern bietet, wahrnehmen und würdigen zu können.
Doch ein ganz besonderer Genuss war es, sowohl mit „meinen“ Jungs einmal mehr Zeit als nur die wenigen Stunden des Trainings zu verbringen. Als auch, den Spirit der SSBD-Family aufsaugen zu dürfen. Und genau diese beiden Elemente werden es auch sein, die ich bei den nächsten Seminaren von und mit Maul Mornie genießen werde.