Auf dem Weg zu einem besseren Verständnis meines Kempo-Stils und dessen Wurzeln bin ich bei Nikolas Sandrock gelandet. Niki war lange einer der Meisterschüler von Marc Richards, der den Kempo-Stil Lung Chuan Fa entwickelt hat. Nach seiner Kempo-Zeit ist er über die philippinischen Stockkampfkünste Arnis und Escrima schließlich beim Silat gelandet. Genau der Richtige, um den Grundlagen des Kempo ein wenig näher zu kommen!
Nach kurzer Kontaktaufnahme erhielt ich eine Einladung, doch mal beim Training der Silat-Gruppe mitzumachen. Niki hat sich vor einiger Zeit dazu entschlossen, bei der von ihm gegründeten Faustwerkstatt in Detmold auszusteigen, wieder eine „ordentliche Tätigkeit“ aufzunehmen und nur noch in seinem eigenen, privaten Dojo zu trainieren. Seine Gruppe ist klein, fein und offensichtlich handverlesen.
Natürlich war ich gespannt wie Flitzebogen, was mich denn da erwarten würde. Zum einen kannte ich Nikolas Sandrock nur aus Erzählungen von Sensei Reinhold Weidemann, also nicht persönlich. Zum anderen war mir Silat nur dem Namen nach ein Begriff. Aktiv hatte ich mich noch gar nicht mit dieser Kampfkunst beschäftigt. Und auch meine Vorkenntnisse im Escrima sind eher rudimentär, basieren auf wenigen Einheiten beim Dacascos Kung Fu und einigen Drills, die mein Sensei Witalli mir/uns beigebracht hat und die bei uns eher selten trainiert werden. Also schnell mal einen Blick ins Internet geworfen und versucht, mich schlau zu machen. SSBD
Au weia! Tolle Bewegungen, faszinierende Kampfkunst, auch mit Waffen. Doch meine Knie taten schon beim Zugucken weh. Wo krabbeln die denn da rum? Tief, tiefer, Silat? Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Meine armen Gelenke, gerade im Kniebereich! Egal, die Einladung stand, ich hatte zugesagt, und Bange machen gilt nicht. Also stand ich eines Abends kurz vor Weihnachten tatsächlich auf dem Hof vor Nikolas‘ Wohnhaus. Das ist nämlich eine alte Dorfschule. Und das ehemalige Klassenzimmer ist von Nikolas umgewidmet in ein Dojo, also einen Trainingsraum. Hier haben, wie ich später erfuhr, schon Generationen von Kampfsportlern die Beinchen geschwungen.
Nikolas erwies sich als überaus sympathischer Zeitgenosse, der mich herzlich begrüßte. Und auch die Damen und Herren, die dann eintrafen, schienen allesamt sehr offen und nett zu sein. Dann ging es auch schon los. Nach einer Begrüßungszeremonie, die ich zunächst mal überhaupt nicht verstand (machte aber nix, keiner guckte böse) folgte ein eher klassisches kurzes Aufwärmen. Und dann ging es schon los mit der Krabbelei. Doch obwohl ich mal wieder schnaufte wie eine alte Dampflok (was ich immer mache, egal wie mein Fitnessstand gerade ist) und die Bewegungen wirklich ungewöhnlich waren: Meine Knie hielten schmerzfrei durch. Runter, halb hoch, ganz runter, wieder ein wenig hoch – ne ne, nicht ganz aufrichten – wieder runter und noch eine Bahn. Zittrig und keuchend versuchte ich einigermaßen, nicht zu ungelenk auszusehen.
Footwork, Fußarbeit – Niki erklärte, dass sie die Basis des Silat sei. Naja, nicht nur vom Silat, dachte ich. Tai Sabaki ist der Begriff, unter dem man im Kempo und Karate das Ausweichen und anschließende neue Ausrichten zum Gegner praktiziert. Eine Basisübung, die ich noch gut vom Kung Fu her kannte. Aber in meinem Training der letzten Jahre war die Dreiecksbewegung, die Grundlage des Tai Sabaki ist, deutlich zu kurz gekommen. Umso besser, das jetzt mal wieder ausführlich zu üben. Mit der Fußarbeit einher geht eine feste Körperhaltung, die „Struktur“, wie Niki erklärte. Klar: Was nützen mir flotte Füße, wenn ich im Oberkörper nicht stabil bin, um Abwehr und Konter einzuleiten! Also noch ’ne Bahn.
Nach dieser Basis ging es ans Messer. Silat ist zu allererst eine Waffenkunst. Die waffenlosen Bewegungen basieren allesamt auf den Ausweich- und Konterbewegungen mit Klinge. Also wurde jetzt paarweise geübt. Die immer wiederkehrenden Bewegungen werden Drills genannt. Zwar waren mir die Ausweich- und Kontermanöver nicht fremd, doch geht es beim Silat um Feinheiten. Blockt man den angreifenden Arm falsch ab, dann gibts im Kempo einen blauen Fleck, schlimmstenfalls einen wirksamen Konter. Beim Silat, mit Waffen in der Hand, wären solche Ungenauigkeiten ziemlich doof, da schnell Finger, Arm oder Kopf ab.
Silat ist eine Sammelbezeichnung für mehr als 800 Einzel-Stile, die in Südostasien entwickelt wurden. Indonesien und Malaysia mit ihren vielen Völkern sind Zentren dieser Kampfkünste. Der Stil, der von Niki und seiner Gruppe praktiziert wird, nennt sich Silat Suffian Bela Diri und stammt aus dem Sultanat Brunei. Silat oder Pencak Silat ist uralt, wurde aber lange Zeit nur im Rahmen von Familienbeziehungen weitergegeben, Außenstehende wurden nicht unterrichtet. Auch der Lehrer (Guro oder Guru) von Niki folgte zunächst dieser Tradition, erhielt aber von seinem Großvater die Erlaubnis, den alten Familienstil öffentlich zu unterrichten. Maul Mornie ist der Name dieses ungewöhnlichen Mannes, der so gar nicht dem Klischee des zarten, eher drahtigen Indonesiers entspricht. Maul Mornie ist ein ziemlich wuchtiger und kompakter Typ. Und sauschnell. Wer Videos seiner Seminare betrachtet, bekommt eine Ahnung, was passiert, wenn man sich auf ein Training mit ihm einlässt.
Ich hatte mich auf ein Training mit und bei Niki eingelassen. Und was soll ich groß sagen: Ich war (und bin) begeistert. Das Silat Suffian Bela Diri passt perfekt zum Kempo. Ich habe noch nie eine elegantere Art gesehen, Angreifer sauber in Stückchen zu zerlegen und mit den Einzelteilen den Boden aufzuwischen. Dazu eine ganz eigene Atmosphäre mit überaus sympathischen, entspannten und freundlichen Aktiven, die sehr konzentriert zur Sache gehen. Und die Art und Fachkenntnis von Niki als Trainer – einfach gut. Der Abend endete nach weiteren zwei Stunden Fachsimpelei über Kampfkunst, Kempo und Silat erst gegen 24 Uhr. Und nach der Einladung von Niki, ich könne ruhig öfter kommen, fühlte ich mich nicht nur geehrt, sondern geradezu beseelt. In den nächsten Monaten werde ich versuchen, tiefer in die Geheimnisse des Silat einzutauchen. Und dabei ganz automatisch meine Kampfkunst-Wurzeln, die ganz klar beim Kempo liegen und bleiben werden, noch zu festigen und meine bescheidenen Fähigkeiten und Kenntnisse zu verbessern.
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[…] Menge Trainer gewesen, aber meine Meister sind Marc Richards vom Dragon Fist Kempo und Maul Mornie, Silat Suffian Bela Diri. Marc hab ich etwa 1990 kennengelernt, bis dahin hatte ich mich mit Judo, Shotokan und Hadaka Kempo […]
[…] zu einem Kommen zu bewegen, konnte ich in diesem Jahr mit dem Silat- und Kempo-Meister Niklas Sandrock erneut einen Top-Referenten gewinnen. Und Reinhold Weidemann war jetzt in der Lage, eben diesen […]