Im Frühjahr kommen nicht nur die Zugvögel wieder zu uns zurück. Mittlerweile starten auch die weltbesten Kampfkunstlehrer in dieser Zeit ihre World Tours, bei denen sie kreuz und quer über den Globus flitzen und ihre Anhänger, Fans und Freunde mit Seminaren beglücken. Nach vier langen Jahren Abstinenz fand der wohl bekannteste Silat-Lehrer weltweitt, Maul Mornie, mal wieder den Weg ins Good old Germany. Das konnte ich mir ja wohl nicht entgehen lassen.
In letzter Zeit konzentriere ich mich, neben Job und Hausrenovierung, vor allem auf das Shaolin Kempo. Ein wenig Boxen, ein wenig Stöckchen schwingen, ganz wenig Silat … mehr lässt die knappe Zeit momentan leider nicht zu. Ich versuche, die Basics in Sachen Fußarbeit und Struktur, die ich in den letzten Jahren in Silat und Kali gelernt habe, im Kempo wiederzuentdecken und zu trainieren. Speziell in der Selbstverteidigung passen diese Techniken perfekt. Doch reicht das, um in einer Halle mit Magic Maul zu bestehen? Bin ich noch fit genug, um zwei lange Tage mit den jungen Hüpfern vom Silat Saffian Bela Diri die Halle, das Messer und die Machete zu teilen? Und das ganz ohne Begleitung, denn aus Lemgo, Detmold und Umzug wollte keiner mit?
Egal, die Anmeldung war raus, das Hotel gefunden und gebucht. Also ab nach Bonn. Und tatsächlich: Bis auf Uwe und Claudia, die beiden unermüdlichen Organisatoren der deutschen SSBD-Gruppe, kannte ich tatsächlich niemanden. Das sollte sich aber schnell ändern … 😉
Wie an dieser Stelle schon häufiger geschrieben, passen Silat, Kali und das ursprüngliche Shaolin Kempo einfach super zusammen. Man merkt schnell, dass hinter den verschiedenen südostasiatischen Stilen, von den Philippinen über Indonesien bis nach Malaysia, vielfach ein sehr ähnlicher Ansatz steckt. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch schon los. Übungen zur Struktur und die Kraftverstärkung durch Körperdrehungen dienten dem Aufwärmen. Tatsächlich war der Wissensstand der rund 50 Teilnehmer sehr unterschiedlich – von langjährigen Silat-Cracks und Study Group Leaders bis zu Einsteigern folgten alle konzentriert den Ausführungen des Silat-Guros. Als großer Fan vom Grundlagentraining fand ich mich tatsächlich wie selbstverständlich wieder in den Drehungen, der Fußarbeit und den Meidbewegungen. Da scheint doch was hängengeblieben zu sein in den Bemühungen von Niki und den Kollegen der Faustwerkstatt oder dank des Trainings mit Philipp in Sachen Kali – ganz anders als bei meinem ersten Seminar bei Maul Mornie 2016 in Holland, wo ich schnell komplett „lost“ war.
Drill, Pass, Backhand – alles bekannt. Dazu noch „Pin“, also das Fixieren des gegnerischen Angriffarms. Am ersten Tag galt die Aufmerksamkeit dem Messer. Später gab es dann immer wieder Ausflüge in die waffenlose Anwendung – Maul ist ein wirklich genialer Lehrer in Sachen Prinzipien. Alles ergibt einen Sinn, keine Bewegung wird verschwendet, und alles klappt mit nahezu jedem Hilfsmittel. Die traumwandlerische Sicherheit, mit der dieser Kampfkunstmeister seine Übungen mit ganz verschiedenen Partnern vorführt, ist schon fast zirkusreif. Atemberaubend, wie dicht er seine Trainingswaffe an Hals, Kopf oder andere empfindliche Trefferstellen führt – und das fast ohne Hinschauen.
Natürlich wurden die Drills komplexer. Und natürlich wuchs dann auch wieder die Konfusion, wie das denn alles zusammen passt. Ich hatte das Glück, mit einem sehr sympathischen Herrn namens Sebastian Baron die Klinge zu kreuzen, die Beine wegzuziehen und die Arme zu fixieren. Offensichtlich auch kein Silat-Experte, aber extrem versiert darin, sich in einer Auseinandersetzung ziemlich geschickt zu bewegen. Trotz Partner-Wechsel, die Maul immer wieder mit lautem „Chaaaaaaange“ ansagte, trafen wir uns immer wieder. In einer der kurzen Pausen verriet Sebastian, dass er Inhaber einer Kampfkunstschule in Wuppertal ist. Wir hatten einen tollen, lehrreichen und lustigen Tag. Man müsste mal nach Wuppertal reisen, da gibt es neben dieser Schwebebahn offensichtlich noch weitere spannende Dinge! Dass der gute Sebastian mir mit Leichtigkeit einen Knoten in jede Extremität hätte machen können, hab ich so richtig erst zu Hause begriffen … 🙂
Sebastian konnte am zweiten Tag nicht dabei sein, als es um das Thema Machete ging. Doch ich hatte das Glück, dass ich wieder einen sehr sympathischen Kollegen für gemeinsame Körper- und Hirnverdrehungen fand. Bernd kommt aus Würzburg und ist, wie er erzählte, bewandert im Pekiti Tirsia Kali. Dass ich hier schon wieder so eine Granate am Start hatte, der in seinem Fachgebiet eine echte Größe ist, hab ich ebenfalls erst später recherchiert. Kein Wunder, denn beim Seminar war der Franke ein einfach klasse Trainingspartner, der reichlich Geduld mit dem alten Langsamlerner aus Norddeutschland hatte, aber ansonsten sehr bescheiden. Bernd Altenhöfer ist ebenfalls Leiter einer Kampfkunstschule, im schönen Würzburg beheimatet.
Wenn Maul die Machete schwingt, die Handwechsel von rechts auf links ausführt, dazu Bein- und Fußarbeit – dann ist das live ein noch viel größerer Genuss als über YouTube. Der Kerl ist einfach ’ne Bombe! Dazu kommt ein enormes Wissen über das, was er da macht. Allein die Erklärung der Machete, der verschiedenen Formen und Funktionen dieses Hiebwerkzeugs wären einen eigenen Artikel wert. Oder seine Ausführung zur Kampftaktik auf Borneo, der indonesischen Großinsel, auf der auch sein Heimatland, das Sultanat Brunei, gelegen ist.
Nach dem zweiten Tag, nach den zweiten fünf Stunden Seminar, rauchten die Köpfe aller Teilnehmer. Wie immer ein Overload an Infos, an Eindrücken, an Ideen für die kommenden Trainings.
Mein Resümee?
– Meine Kenntnisse im Silat, vor allem in Struktur und Footwork, konnte ich festigen.
– Den achtteiligen Messerdrill der Basisangriffe hab ich behalten und werde ihn in das eigene Training mitnehmen.
– Ich konnte tatsächlich in der Gruppe mithalten und war ein (hoffentlich) nicht allzu großer Bremsklotz für meine Trainingspartner.
– Sobald die zeitfressende Hausrenovierung überstanden ist, werde ich meine Bemühungen in Sachen Silat (und Kali) wieder intensivieren. Das passt perfekt zu meinem Kempo-Stil.
– Ich hab mit zwei tollen Kampfkünstlern trainieren dürfen, zu denen ich den Kontakt hoffentlich halten und ausbauen kann
Lohnt also ein Seminar bei Maul Mornie? Auf jeden Fall! Ein toller Lehrer, der aufgrund seiner Ausstrahlung immer wieder auch ganz besondere Menschen anzieht, die solch ein Seminar zu einem ganz besonderen Highlight machen.
Nicht zu vergessen die Organisation und das Engagement von Claudia Kofler und Uwe Kramer vom SSBD Germany, denn ohne den reibungslosen Ablauf wäre solch ein Seminar nur halb so genial!